Magazin Reiseberichte

„Ruhm und Ehre“ ? – zu Besuch bei Heinrich Heine in der Walhalla

Ist die Heinrich Heine-Büste, die im Sommer 2010 in der Walhalla aufgestellt wurde, völlig fehl am Platz? Oder war der „Einzug“ des weltweit bewunderten Dichters im „Ruhmestempel der Deutschen“ ganz im Gegenteil längst überfällig? Über diese und ähnliche Fragen wurde bereits bis zum Überdruss diskutiert.

Fakt ist: Heine selbst, der für die Walhalla mit ihrer Unmenge von Büsten und Gedenktafeln zu Ehren „bedeutender Persönlichkeiten“ „teutscher Zunge“ (Herrscher, Feldherren, Forscher, Künstler) nur Spott übrig hatte (”marmorne Schädelstätte”), hätte jede Diskussion über den Einzug „seiner“ Büste in die Walhalla als absurd empfunden. Für ihn war der 1842 eröffnete Ehrentempel in Donaustauf ganz selbstverständlich eine Pilgerstätte für Deutschtümler und politische Reaktionäre, in der die Büsten von „Juden“ (also Deutschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung) und „Vaterlandsverrätern“ (also Sozialisten usw.) nicht erwünscht sind. Schluß und fertig. Gram hat Heine darüber mit Sicherheit nicht empfunden – wieso sich über eine Selbstverständlichkeit groß Gedanken machen …

Fakt ist aber auch: Obwohl Heine also garantiert nie einen „Ich will da rein“-Ehrgeiz hinsichtlich der Walhalla hegte, ist er jetzt „drin“. Genauer: Eine vom Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim gefertigte Büste des Dichters ist „drin“.

Und noch ein paar Fakten, etwas trockenere: Tag der Enthüllung der Heine-Büste war der 28. Juli 2010. Der feierliche Akt wurde vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer vorgenommen, dem aktuellen Hausherrn der Walhalla und entfernten Nachfolger von Bayernkönig Ludwig I., der den Ehrentempel erbauen ließ. Der Düsseldorfer Heine-Freundeskreis begrüßte das Ganze als Zeichen gegen Antisemitismus und für mehr Toleranz.

Einige Monate später hatte ich, damals Mitarbeiter des Düsseldorfer Reisemagazins Urlaub.de, die Gelegenheit, Heine in seinem neuen „Zuhause“ (glücklicherweise hat der Dichter mehrere davon!) nahe Regensburg zu besuchen. Trotz politischer Bedenken empfand ich den Besuch als eine Art „Pflichtvisite“, die sich nicht ewig aufschieben lies. Schließlich ist unser Büro in der Düsseldorfer Altstadt angesiedelt und Heines Geburtshaus liegt nur wenige Hundert Meter Fußweg entfernt.Natürlich hatte ich in Donaustauf auch meine Kamera dabei.

Fühlt Heine sich nicht wohl?

Heines Walhalla-Büste, dies springt sofort ins Auge, unterscheidet sich deutlich von den allermeisten anderen “Marmorköpfen”. Der Düsseldorfer wird nicht verschönt dargestellt, sondern als alter Mann mit Vollbart und wallendem Haar. Die FAZ sprach von einem „Lazarus-Heine“, einem, „der zurückblickt, zweifelt“. Ist es der Heine, der in seiner Pariser „Matratzengruft“ von Tod und Krankheit (möglicherweise Syphilis) gezeichnet dahinvegetierte? Wahrscheinlich. Als Spötter könnte man natürlich auch argwöhnen: Der Mann fühlt sich in der Walhalla eben nicht wohl. Oder schärfer: Sein neues Zuhause macht ihn ganz krank.

Bunt zusammengewürfelt (?)

Wohl jeder, der sich in der Walhalla umschaut, kommt zu dem Urteil: „Reichlich bunt zusammengewürfelt das Ganze!“. BRD-Gründungskanzler Adenauer und der Vandalenkönig Geiserich, Reformator Martin Luther und Willibrord der Heilige (Fränkischer König und Apostel der Friesen), der niederländische Unabhängigkeitskämpfer Wilhelm von Oranien und die „Drei Männer von Rütli“ (Rütlischwur), Frankenkönig Karl der Große und der Sachsenherzog Widukind – sie alle und viele, viele andere werden in der Walhalla mit einer Büste oder – wenn kein authentisches Abbild verbürgt ist – einer Gedenktafel geehrt. Wofür genau auch immer. 130 Büsten sind es inzwischen (Heine war die Nummer 130). Dazu kommen 64 Gedenktafeln.

Einige der neueren Walhalla-Bewohner verstärken den Eindruck, es mit einer reichlich „bunten“ Auswahl zu tun zu haben. Da ist z. B. der Jahrhundertphysiker Albert Einstein (seit 1990), der erste jüdische Deutsche und Sozialist mit einer Büste in der Walhalla. Oder eben Heine, der – an diesem Punk scheint Logik zu walten – mit seinem Walhalla-Einzug zu den Dichterfürsten Goethe und Schiller „aufschließen“ konnte. Der Besucher fragt sich unwillkürlich: Wieso nicht auch Bert Brecht oder Thomas Mann? Vielleicht, weil deren „Vaterlandsverrat“ noch nicht lange genug zurückliegt? Allerdings: Einstein ist ja dabei, obwohl ebenfalls ein Emigrant und engagierter Todfeind des Dritten Reiches. War er etwa nur der erste „Alibi-Jude“ in der Walhalla, wie manche Kritiker argwöhnen? Und was ist mit Sophie Scholl (2003 eingezogen), der antifaschistischen Widerstandskämpferin? Fragen über Fragen. Übrigens: Als ernsthafter (!) Kandidat für die nächste Walhalla-Büste gilt Franz-Josef Strauß, langjähriger Bayrischer Ministerpräsident, vorher einflußreicher Bundesminister (verschiedene Resorts) und stets der absolute Rechtsaußen unter den staatstragenden Politikern der BRD. Vorgeschlagen hat ihn – natürlich – die CSU. Nach dem Ausstellungsplan sind in der Walhalla nur noch vier Büsten-Plätze frei. Vielleicht wäre eine Strauß-Büste ja der passende Deckel, um den Topf Walhalla endgültig zuzumachen.